Neues von der Projektarbeit Erasmus+ an der Europäischen Gesamtschule Insel Usedom
„Wissenschaft an sich hat keine moralische Dimension. Dasselbe giftige Medikament, das in kleinen Dosen heilt, kann in übermäßigen Dosen tödlich sein.“ (Wernher von Braun)1
Diese Worte des deutschen und später amerikanischen Luft- und Raumfahrtingenieurs, der zur führenden Figur der Entwicklung der Raketentechnologie wurde und maßgeblich an der Entwicklung der V2-Rakete in Peenemünde mitgewirkt hat, erfahren vor dem Hintergrund heutiger politischer Entwicklungen noch einmal eine ganz neue und eindringliche Bedeutung.
Auch die 25 Schülerinnen und Schüler unserer französischen Partnerschule aus Merville-Franceville-Plage, die vom 14.-20.03.2025 bei ihren deutschen Gastfamilien auf der Insel Usedom verweilten, haben sich im Rahmen unserer Projektarbeit zum Thema 80 Jahre danach – neue Perspektiven einer jungen Generation!, die wir bereits im September des vergangenen Jahres in unserer Partnerschule in der Normandie begonnen hatten, mit diesem Zitat und der damit verbundenen Geschichte der Raketenentwicklung in Peenemünde auseinandergesetzt.
Unter der Leitung von Sven Brümmel hatten die deutschen und französischen Jugendlichen die Möglichkeit, die eindrucksvolle Atmosphäre der ehemaligen Versuchsanstalten Peenemünde zu entdecken, in denen von 1936 bis 1944 neue Waffensysteme, darunter die als „Vergeltungswaffen“ eingesetzten V2-Raketen konstruiert und vorrangig durch ZwangsarbeiterInnen hergestellt wurden.
Die Geschichte dieses Ortes wendet den Blick auf einen verheerenden und grausamen Beitrag zu den Vernichtungsplänen der Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkrieges. Dennoch verharrt das heutige Historisch-Technische Museum nicht in dieser Position, sondern wähnt sich als Ort des Friedens, der die Erinnerung und das Vertrauen in die Zukunft miteinander verbindet.
Dieser Perspektive wollten auch die Schülerinnen und Schüler unserer beiden Nationen in ihrer gemeinsamen Auseinandersetzung mit dem Thema den Vorrang einräumen und machten es sich zur Aufgabe, die Rakete, als Symbol der Zerstörung, in einen neuen, positiv konnotierten Kontext zu verankern, der dem Optimismus, dem Willen und der Zuversicht der jungen Generation, sich über Landes- und Kulturgrenzen hinweg auf friedliche und menschenwürdige Art und Weise zu verständigen, in sehr kreativer und emotional berührender Form Ausdruck verlieh.
Die in diesem Rahmen entstandenen Gedichte, Zeichnungen, Collagen und gebastelten Meisterwerke werden zusammen mit den Ergebnissen der Projektarbeit in Merville Eingang finden in ein digitales Buch, das nach Fertigstellung über unsere Homepage der Gesamtschule Insel Usedom (www.kgs-seebad-ahlbeck.de) einsehbar sein wird und anschaulich die Auseinandersetzung der jungen Erwachsenen in Frankreich und Deutschland mit der Vergangenheit des Zweiten Weltkrieges sowie ihre Wünsche und Hoffnungen für eine europäische Zukunft im Angesicht der politischen Entwicklungen beschreiben.
Neben der intensiven Arbeit in der Schule kam natürlich auch das kulturelle Programm nicht zu kurz. So fanden unsere Gäste in ihren Gastfamilien bereits am Wochenende nach ihrer Ankunft eine liebevolle Betreuung, die Gedanken an ein mögliches Heimweh keine Chance gaben. Ausflüge in die Region, Spiele und sportliche Aktivitäten rundeten den umfangreichen Eindruck von einer gastfreundlichen Insel ab.
Unser deutsch-französischer Abend, der traditionell in den Händen unserer Eltern liegt, wurde zu einem nicht nur kulinarischen, sondern auch kulturellen Erfolg. Französische Chansons, Jazzmusik an Saxophon und Klavier und eine Fotoshow, die unsere Erinnerungen an die Zeit in Merville wieder lebendig werden ließen, trugen zu einer einzigartigen Atmosphäre bei.
Wir alle blicken auf eine erfüllende und eindrucksvolle gemeinsame Zeit sowohl bei unserem Besuch in Merville (September 2024) als auch in Ahlbeck zurück, die den Jugendlichen erlaubte, mit ihrer Arbeit der Wissenschaft eine kleine „moralische Dimension“ zu geben. Es ist uns, den Kolleginnen und Kollegen der Europäischen Gesamtschule Insel Usedom ein großes Anliegen, „in kleinen Dosen“, mit Beharrlichkeit und Zuversicht, Kinder und Jugendliche aus europäischen Ländern zusammenzuführen, ihnen die Möglichkeit zu geben, sich kennenzulernen, sich auszutauschen und sich im anderen zu spiegeln und auf diese Weise eine Basis zu schaffen für ein friedliches Zusammenleben von Völkern und Kulturen.
Ohne die Unterstützung der Europäischen Union, die uns durch das Programm Erasmus+ großzügig finanziell unterstützt, könnten wir diesem Anliegen nicht Ausdruck verleihen.
Mein ausdrücklicher Dank gilt aber vor allem allen Eltern, Kolleginnen und Kollegen der EGS sowie dem Historisch-Technischen Museum und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie alle haben mit ihrem Engagement und ihrer Motivation dazu beigetragen, in unseren Kindern und Jugendlichen den europäischen Gedanken zu säen.
Möge er reifen und zur Blüte kommen!
Sandra Rath
Treffen mit 1 Quelle: https://quotepark.com/quotes/1942368-wernher-von-braun-science-all-by-itself-has-no-moral-dimension-th/